· 

Tierarzneimittelverordnung 2019/6 – was ist dran an der Gefahr für Haustiere?

Was steht drin? Was nicht?

Es herrscht aktuell große Unsicherheit. Viele glauben an eine große Ungerechtigkeit, auch aufgrund einer Petition der Bundestierärztekammer. Hier heißt es: „Das geplante weitreichende Antibiotikaverbot für die Behandlung von Tieren könnte die Gesundheit von Tieren und Tierhalter:innen aufs Spiel setzen. […] es drohen fatale Folgen für die Gesundheit und das Wohlergeben aller Tiere, da die in Aussicht gestellte Ausnahmeregelung für die Behandlung von Einzeltieren auf absehbare Zeit nicht durchsetzbar ist.“ (1)

Keine Reserveantibiotika mehr für Katze, Hund und Pferd?

Die Deutsche Umwelthilfe hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das mitunter genau das prüfen sollte (3).

Eigentliches Ziel der Tierarzneimittelverordnung 2019/6

Die Verwendung von Reserveantibiotika in der Lebensmittelindustrie ist der EU-Kommission seit Jahren ein Dorn im Auge, da hier ihrer Ansicht nach die Hauptursache für Resistenzen liegt. In den EU-Leitlinien für die umsichtige Verwendung antimikrobieller Mittel in der Veterinärmedizin (2015/C 299/04) steht ein gesonderter Punkt, der sich auf die Anwendung an Haustieren bezieht:

Nach Empfehlung der EU-Kommission sollen also für die Humanmedizin wichtige Antibiotika vermieden, aber keinesfalls verboten werden. Dem Gutachten zu Folge soll die Verordnung diesen Gedanken nun fortsetzen. In der Verordnung selbst steht dazu Folgendes: 

Das Gutachten bewertet vor allem die Passage (b) wie folgt: 

Die Formulierung ist schwammig. Zu schwammig findet auch der Agrarpolitische Sprecher für die Grünen/EFA Martin Häusling. In einem Veto fordert der Grünen-Politiker auf nachzubessern. Auch ein entsprechender Vermerk für Haustiere ist hier gelistet. Und auch in einem offenen Brief an den Bundesverband praktizierender Tierärzte (btp) macht er nochmals klar: „Es geht nicht um Tiere in Einzelhaltung, wie dies fälscherweise in dem Aufruf des bpt dargestellt wird. Der Auftrag des Parlamentes an die Europäische Kommission lautet, den seit Jahren auf viel zu hohem Niveau verabreichten Mengen an Reserveantibiotika wirksame Grenzen zu setzen und klare Regelungen zu formulieren, die Einzeltierbehandlung erlaubt und Massenbehandlung stark einschränkt.“

 

Und nicht nur Martin Häusling, sondern auch der Umwelt- und Verbraucherschutz kritisiert daher harsch die grassierenden Kampagnen, die den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung innerhalb der EU stärker reglementieren wollen. Vielmehr wäre an dieser Stelle eine bessere Aufklärung und präzisere Formulierungen von Nöten. 

 

Ein fader Beigeschmack bleibt und die Frage warum erst im Juli nach Druck der Bevölkerung ein entsprechendes Veto auf den Weg gebracht wurde, hinterlässt ein Gefühl des Unbehagens. 

Aber wieso setzen sich dann so viele Tierärzte für eine Petition ein, die die TOV verhindern soll?

Fakt ist zumindest, dass viele Tierärzte das bereits eingereichte Veto vom 06.07.2021 verschweigen, das einen Ausschluss von Haus- und Einzeltieren klar fordert. Glaubt man dem Presseportal und Reinhild Benning, einer DUH-Agrarexpertin, ist der Grund dafür klar. Viele Tierärzte profitieren vom Verkauf großer Antibiotikamengen.

 

In einem Interview mit Frau Benning heißt es:

 

"Es ist beschämend, wie hier versucht wird, Tierfreundinnen und -freunden Angst zu machen, ihre geliebten Katzen oder Hunde würden gefährdet. Das ist nicht der Fall, wie auch unser neues Rechtsgutachten noch einmal eindeutig klarstellt, wenn die vom Umweltausschuss geforderte Korrektur kommt. Das Interesse einiger weniger Tierärztinnen und Tierärzte mit engem Draht zur Agrarindustrie ist dabei so durchschaubar wie unmoralisch: Werden Hund und Hamster in der EU-Regel weiter in einen Topf geworfen mit Lebensmittel-Tieren, dürfen weiter tonnenweise Antibiotika im Trog der Massentierhaltung landen - zum Profit einiger weniger Tierarztpraxen, die bis zu 78 Prozent ihres Umsatzes durch den Verkauf von Tierarzneimitteln scheffeln.“ (6)

Und auch im Gutachten heißt es:

„Die pauschale Kampagne der Tierärzte spielt nicht nur mit den Ängsten von Haustierbesitzern, sondern gibt Inhalte des Einspruchs teilweise unzutreffend und verkürzt wieder. Hier drängt sich der Verdacht auf, dass sich die Verantwortlichen für die Kampagne möglicherweise doch für den weiteren Einsatz von Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung stark machen, dies jedoch mit dem vorgeschobenen Fokus auf Nicht-Lebensmittel-Tiere wie Hunde zu überspielen versuchen.“(3)

 

Der Präsident des Bundesverbands Praktizierender Tirärzte sieht das anders. Dr. Siegfried Moder sagt, dass nur etwa 5% der Antibiotikaresistenzen tatsächlich aus der Tierhaltung stammen„Deshalb macht es wenig Sinn, den Antibiotikaeinsatz bei Tieren immer weiter zu reglementieren, anstatt dort genauer hinzuschauen, wo Antibiotika inflationär eingesetzt werden und Resistenzen in der Masse wirklich entstehen“(7). 

 

Im September 2021 wird die EU-Kommission über das Veto entscheiden. Noch vor der finalen Abstimmung sollen die Unterschriften der Petition gegen den Beschluss an das EU-Parlament übergeben werden. 

 

Mein Fazit:

Die Tierarzneimittelverordnung 2019/6 muss knackiger formuliert werden. Zum aktuellen Zeitpunkt steht wörtlich nichts von einem Ausschluss von Heimtieren darin. Dennoch hat mich das Gutachten, zusammen mit Aussagen der Deutschen Umwelthilfe und Martin Häusling überzeugt, dass sich die Reglementierung auf die Lebensmittelindustrie beschränken soll. Ob die TOV tatsächlich die Antibiotikaresistenz in der Bevölkerung minimiert und damit seinen Zweck erfüllt, ist eine ganz andere Fragestellung, die weitere Aufklärung bedarf. 

 

Jessica Welss

Inhalte von Powr.io werden aufgrund deiner aktuellen Cookie-Einstellungen nicht angezeigt. Klicke auf die Cookie-Richtlinie (Funktionell und Marketing), um den Cookie-Richtlinien von Powr.io zuzustimmen und den Inhalt anzusehen. Mehr dazu erfährst du in der Powr.io-Datenschutzerklärung.

Quellen