Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht
What’s the point? Domestic dogs’ sensitivity to the accuracy of human informants
„Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“ - Diesen Spruch erzählen wir schon unseren Kleinsten, um ihnen die Flunkerei madig zu machen. Kinder begreifen ziemlich schnell, etwa mit 3 bis 4 Jahren auf Basis von Erfahrungswerten, wer vertrauenswürdig ist oder wem man besser nicht glauben sollte. Sie lernen außerdem eigenen Instinkten zu Vertrauen und so zum Beispiel zu ignorieren, dass Mama oder Papa behauptet die Schokolade wäre hinter dem Sofakissen, hat das Kind doch gesehen wie sie hinter dem Rücken verschwand. Schließlich beginnen sie auch einzelne Aussagen von Personen, selbst wenn sich diese in der Vergangenheit als vertrauenswürdig erwiesen hatten, zu hinterfragen. All das zeigt: Menschen lernen im Laufe ihrer Entwicklung Informationen zu bewerten und einzuschätzen. Studien zeigen, dass auch Menschenaffen zum Teil zu diesem Verhalten fähig sind - und Hunde?
In diesem Artikel erfährst du....
- wie die Wissenschaftler testeten, ob Hunde zwischen "vertrauenswürdig" und "nicht-vertrauenswürdig" unterscheiden können
- warum es für Hunde evolutinärbiologisch sinnvoll wäre
- ob Hunde im Stande sind aus Erfahrungen zu lernen
warum es Sinn macht
Rein evolutionärbiologisch, wäre es für Hunde durchaus von Vorteil zwischen „vertrauenswürdig“ und „nicht-vertrauenswürdig“ zu differenzieren. Wie Schimpansen und Wölfe, jagten die Vorfahren des Haushundes nämlich im sozialen Gefüge. In der Natur kann solch eine Entscheidung demnach über Leben und Tod entscheiden, glaubt man der Warnung des Artgenossen nicht und läuft dem Gegner stattdessen direkt in die Arme.
so wurde es getestet
In der hier beschriebenen Studie von Pelgrim et al (2021) wurde eben dies getestet [1] . Die Forscher wollten herausfinden, ob Hunde in der Lage sind zwischen einer „vertrauenswürdigen“ und „nicht-vertrauenswürdigen“ Information zu unterscheiden. Und das testeten sie wie folgt:
Im ersten Teil des Experiments wurden Hunden zwei umgedrehte Becher präsentiert. Eine dem Hund unbekannte Versuchsperson legte ein Leckerchen unter einen der Becher. Anschließend deutete die Person entweder auf den Becher mit der Leckerei („richtig“) oder auf den Becher ohne Keks („falsch“, Abbildung 1). Die Hunde entschieden sich fast immer für den richtigen Becher, wenn auf diesen gedeutet wurde. Wurde auf den falschen Becher gedeutet, wählten sie den richtigen Becher dennoch fast genauso häufig. Sie entschieden sich also gegen die Weisung der Versuchsperson und handelten ihrem eigenen Wissen entsprechend.
Abb. 1 Experimentelles set up 1 "entnommen aus Pelgrim, M.H., et al., What’s the point? Domestic dogs’ sensitivity to the accuracy of human informants. Animal cognition, 2021. 24(2): p. 281-297.
Im Hauptteil des Experiments wurde dann getestet, ob Hunde sich daran erinnerten, ob die Person richtige Information vermittelt hat und demnach „vertrauenswürdig“ ist oder nicht. Im ersten Teil des Versuchs wurde eine „vertrauenswürdige“ Person hinter einem transparenten Behälter gesetzt . Eine „nicht-vertrauensvolle“ Person setzte sich hinter einen zweiten transparenten Behälter (Abbildung 2). Nur ein Behälter enthielt sichtbar eine Leckerei. Beide Personen zeigten anschließend auf ihren Behälter, egal ob bestückt oder nicht.
Im zweiten Teil des Experiments wurden die transparenten Behälter durch nicht-transparente Behälter ersetzt. Die Hunde wussten also diesmal nicht unter welchem sich die Leckerei verbarg. Egal ob sichtbar oder nicht, in beiden Fällen entschieden sich die Hunde eher für den Behälter, auf den die „vertrauenswürdige“ Person zeigte.
Abb. 2 Experimentelles set up 2 "entnommen aus Pelgrim, M.H., et al., What’s the point? Domestic dogs’ sensitivity to the accuracy of human informants. Animal cognition, 2021. 24(2): p. 281-297.
Die Ergebnisse der Studie von Pelgrim et al. (2021) werden von voran gegangen Studien untermauert. In einem anderen Experiment zeigte man Hunden zunächst Leckerchen, die anschließend außerhalb ihrer Reichweite versteckt wurden. Eine weitere Person war während der Versteck-Aktion anwesend, hatte also gesehen wo die Leckerei versteckt wurde. Eine dritte Person kam hinzu, die nicht gesehen hatte wohin die Leckerchen gewandert waren. Beide Personen, „die Wissende“ und „die Unwissende“ gaben den Hunden durch Gesten Hinweise auf das Versteck. Das Ergebnis, die Hunde folgten dem Hinweis der „wissenden Person“ eher als der „Unwissenden“ [2, 3].
Fazit
Insgesamt könnte man aus diesen Studien ableiten, dass Hunde tatsächlich in der Lage sind auf Basis ihrer Erfahrungen Schlussfolgerungen für zukünftige Ereignisse zu ziehen und tatsächlich zwischen „vertrauenswürdig“ und „nicht-vertrauenswürdig“ zu unterscheiden. Ein weitere Studie zeigt, dass dies sogar der Fall ist, wenn sie selbst eine Situation nur beobachten. Hunde näherten sich einer unbekannten Person eher an, wenn sie zuvor beobachtet hatten, dass sie sich anderen gegenüber als großzügig erwiesen hatte. Eine Person, die Essen zurückhielt, wurde dagegen eher gemieden [4] .
Was bedeutet das für uns?
Die Ergebnisse diverser Studien legen nahe, dass Hunde tatsächlich im Stande sind zwischen „vertrauenswürdig“ und „nicht-vertrauenswürdig“ zu differenzieren. Wir sollten uns also gut überlegen, ob wir unsere Hunde wirklich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in die Badewanne, das Auto oder zum Tierarzt locken sollten. Denn, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
Jessica Welss
Quellen
1. Pelgrim, M.H., et al., What’s the point? Domestic dogs’ sensitivity to the accuracy of human informants. Animal cognition, 2021. 24(2): p. 281-297.
2. Catala, A., et al., Dogs demonstrate perspective taking based on geometrical gaze following in a Guesser–Knower task. Animal Cognition, 2017. 20(4): p. 581-589.
3. Maginnity, M.E. and R.C. Grace, Visual perspective taking by dogs (Canis familiaris) in a Guesser–Knower task: evidence for a canine theory of mind? Animal cognition, 2014. 17(6): p. 1375-1392.
4. Ebel, S.J., et al., Innovative problem solving in great apes: the role of visual feedback in the floating peanut task. Animal cognition, 2019. 22(5): p. 791-805.