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Merle: Schönheit um jeden Preis? - was du wissen musst

Wir alle lieben sie, die süßen Hunde mit der außergewöhnlichen Fellzeichnung. In diesem Artikel erfahrt ihr:

Ø Wie Fellfarben entstehen

Ø Wie Merle genetisch entsteht und vererbt wird

Ø  Wo die Risiken bei einer Merle-Zucht liegen


Zum Interview mit einer Australian Shepherd Merle Züchterin geht es HIER.


Von der Entstehung der Fellfarben

Fellfarben basieren grundsätzlich auf pigmentierten Zellen, den Melanozyten, die Granula enthalten. Diese Granula können verschiedene Formen und Größen annehmen. Die Art der Lichtbrechung bestimmt die Farbe. Es gibt zwei Grundfarbstoffe (Melanine). Jede Fellfarbe ist am Ende des Tages eine Zusammensetzung der Grundfarben aus Eumelanin ("schwarzes Pigment") und Phäomelanin ("gelb-rötliches Pigment")[1]. Weitere Faktoren wie das ''Dilute-'' oder das ''Merle-Gen'' erhöhen die Vielfalt und führen zu Aufhellungen oder Musterung.

 

 

Die Melanocyten werden bereits im Embryonalstadium, in der Neuralleiste, angelegt. Im Laufe der Entwicklung wandern die Zellen in alle Raumrichtungen und vervielfältigen sich [2]. Kommt es zu Verzögerungen des Zelltransports während der Entwicklung, können nach der Geburt weiße, nicht pigmentierte Stellen zurück bleiben. Vielleicht haben ja auch eure Hunde weiße oder weniger pigmentierte Bäuche und Pfoten. Dann ist den Zellen metaphorisch gesprochen schlichtweg die Puste ausgegangen [2, 3].

Merle

Erst im Jahre 2006 entdeckte die Arbeitsgruppe um Dr. Leigh Clark die genetische Mutation, die für die typische Merle-Färbung zuständig ist [4]. Die klassische Merle-Färbung ist durch eine scheinbar willkürliche aufhellende Scheckung gekennzeichnet und erscheint „marmoriert“. Aus diesem Grund leitet sich das Wort „Merle“ vermutlich auch von dem englischen Wort „marbled“ ab. Clark fand heraus, dass die Merle-Mutation natürlicherweise in vielen Hütehunderassen vorkommt und spekulierte über einen gemeinsamen Vorfahren. Die Mutation ist aber auch in weiteren Rassen heimisch.

Tabelle 1  Hunderassen mit Merle-Mutation

Jeder klassische Merle-Hund ist ein Mosaik

Die genetische Grundlage ist eine Mutation im Gen PMEL17 (auch SILV). Genauer gesagt basiert der Effekt auf einer Insertion eines SINEs (short interspered nuclear elemets), also einem DNA-Abschnitt, der ursprünglich zufällig in das Genom eingebaut wurde [5]. Die Länge der Insertion kann dabei variieren und hat vermutlich einen Einfluss auf die Stärke des Merle-Effekts. Von der Mutation sind nur Bereiche des Fells betroffen, die durch das Eumelanin gefärbt werden, Phäomelanin ist nicht betroffen. Der Merle-Faktor wird autosomal intermediär vererbt, ist also geschlechtsunabhängig und kommt bei Vererbung immer zur Ausprägung (siehe Abbildung 1). Außerdem ist jede klassische Merle-Scheckung ein genetisches Mosaik, bedeutet: nicht alle Körperzellen tragen exakt die gleiche Erbinformation. Der Grund dafür ist die Fehleranfälligkeit der DNA-Maschinerie. Bei der Kopie der Erbinformationen schleichen sich hin und wieder Fehler ein, die oftmals korrigiert werden, manchmal aber auch unentdeckt bleiben. Die Insertion des PMEL17 Gens ist besonders anfällig für Verkürzungen, weshalb benachbarte Zellen verschiedene Varianten des SINEs tragen [6]. Man könnte also sagen, dass jeder einzelne Fleck tatsächlich ein kleines Unikat darstellt und dadurch kein Merle-Hund wie der andere aussieht. Ebenfalls sehr beliebt sind die strahlend blauen Augen, die mit M/m und M/M Merle assoziiert sind. 

Abb. 1 Intermediäre Vererbung am Beispiel des Merle-Locus. Modifiziert nach www.vetevo.de

Die Länge der Insertion entscheidet nicht nur über die Farbe einer einzelnen Zelle, sondern beeinflusst das gesamte Erscheinungsbild des Trägers [7]. Man unterscheidet zwischen kryptischem Merle, Dilute, Klassischem Merle und Harlequin (Abbildung 2).

 

Kryptisch: sie zeigen keine oder nur sehr kleine Bereiche, die auf Merle hindeuten.

Dilute: diese Hunde haben eine „verdünnte“ Fellfarbe oder rötliche Veränderungen

Klassisch: eine zufällige Verteilung von Flecken, ein Mosaik

Harlequin: das Fell zwischen voll pigmentierten Flecken ist vollständig weiß

Abbildung 2 Phänotypische Variationen des Merle-Gens aus Murphy et al. 2018

Welche Risiken die Mutation birgt: Doppel (M/M) und Single-Merle (M/m)

Dass homozygote Tiere, also Tiere die auf beiden DNA-Kopien die Muation tragen, mitunter an schwerwiegenden Erkrankungen leiden ist inzwischen allgemeinhin bekannt. Diese Hunde haben ein gesteigertes Risiko für unterschiedliche Erkrankungen [8, 9]. Wie oben bereits erwähnt bewirkt die Mutation eine Verminderung oder gar den kompletten Verlust des Pigments Eumelanin. Im hündischen Körper haben diese Pigmente aber auch eine funktionale Bedeutung, denn sie sind unter anderem wichtig für die Bildung und Entwicklung der Hör- und Seh-Sinneszellen. Homozygote Welpen mit minderpigmentierten Zellen sind deshalb nicht selten blind oder taub. Augenerkraknungen wie die Spaltbildungen der Augenhäute (Kolobome, stark verkleinerte Augen (Mikrophthalmie), oder entrundete Pupillen (Dyskorie) sind die Folge. Neben Fehlbildungen der Augen können die Tiere auch an Deformationen des Skeletts, der Geschlechtsorgane oder des Herzens aufweisen. Häufig sterben solche Tiere schon vor der Geschlechtsreife. Aus diesem Grund, ist  die Züchtung solcher Tiere durch das Tierschutzgesetz sogar verboten:

  

In §11b Absatz 1 des Tierschutzgesetzes ist es „verboten, Wirbeltiere zu züchten […] soweit […] züchterische Erkenntnisse […] erwarten lassen, dass als Folge der Zucht […] bei der Nachzucht […] erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten“.

Auch für Single-Merles bleibt ein Restrisiko

Was jedoch häufig verschwiegen wird ist, dass auch für Single-Merles (M/m), also Tiere mit nur einer mutierten Variante, ein Restrisiko bleibt. Ein deutsches Forscherteam aus Hannover hat die Prävalenz von Taubheit unter Dackeln ermittelt, die ebenfalls häufig Träger der Merle-Mutation sind. Die Forscher fanden heraus, dass insgesamt 54,6% der homozygoten Träger unter einseitiger oder beidseitiger Taubheit leiden, sowie 36,8% der heterozygoten Träger. Diese Studie ist allerdings aus mehreren Gründen mit Vorsicht zu genießen. Die Primärliteratur ist leider nicht mehr verfügbar, weshalb ich auf einen anderen wissenschaftlichen Artikel verweisen muss  [4]  und zudem die genauen Rahmenbedingungen nicht prüfen konnte. Zum anderen wurden im Rahmen der Studie lediglich 38 Hunde einer einzigen Rasse getestet. Die Zahlen aus Hannover erscheinen, berücksichtigt man weitere Studien, außergewöhnlich hoch. Eine spätere Arbeit zu Border Collies aus dem Jahre 2006 untersuchte in Summe 2303 Welpen und fand eine Prävalenz von 2,8% Taubheit unter den Tieren. Dieser Befund war mit der Merle Scheckung assoziiert. [10]. Im Jahre 2009 wurden ebenfalls 153 Hunde (10 Rassen) auf Taubheit und eine Assoziation mit Merle getestet. Das Ergebnis: unter den Doppel-Merles waren 10% einseitig und 15% beidseitig taub. Unter den Single-Merles waren es immerhin noch 2,7% und 0,9% [9]. Fakt ist also, dass nicht nur homozygote Träger ein gesteigertes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen haben, sondern ebenso heterozygote Träger davon betroffen sein können. Auch hier lohnt allerdings ein Blick auf andere Rassen ohne Merle-Mutation. Eine amerikanische Studie belegt, dass die Prävalenz für einseitige Taubheit unter Dalmatinern in den USA bei 22%, für beidseitige Taubheit bei rund 8% liegt. Unter Bull Terriern sind es 20% (einseitig und beidseitig), English Setter kommen auf 12%, Cockel Spaniel auf 6% Prävalenz [11]. Damit ist die Häufigkeit von einseitiger Taubheit unter Single-Merles nicht höher als die des Dalmatiners. Für Doppel-Merle gilt dies allerdings nicht. 

Labrador – Merle und Co

Der auch durch Social Media verstärkte Hype um bunte Fellzeichungen veranlasst „Züchter“ seit kurzem in andere Rassen, die eigentlich keinen Merle-Faktor tragen, diesen einzukreuzen. Meine Umfrage auf Instagram dazu ergab, dass 96% der Meinung sind, dass Social Media diesen Hype verstärkt. 88% zeigten sich aufgrund des Trends mit den neuen Rassen besorgt. Aber ist diese Sorge berechtigt?

 

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass es so etwas wie einen reinrassigen Labrador Retriever mit Merle-Zeichnung schlichtweg nicht geben kann. Der Grund? Den reinrassigen Labrador Retriever gibt es eben nur in den Farben Schwarz, Braun und Blond. Die Merle-Mutation kann demnach kein Ergebnis einer Verpaarung zweier Labradore sein, da dieser für beide Loci negativ ist m/m (siehe Tabelle 1.). Möchte man also ein reinrassiges Tier, sollten hier bereits die Alarmglocken schrillen und man kann sich anhand der oben abgebildeten Tabelle fragen welche Rasse hier wohl eingekreuzt wurde.

 

Die Prävalenz für einige Erkrankungen variiert zwischen einzelnen Rassen [11]. Wie das Beispiel der Taubheit und Blindheit unter Merle-Hunden bereits zeigt, funktioniert ein physiologisches Wesen nicht nach dem einfachen Ursache-Wirkung Prinzip. Genetik ist ein sehr komplexes Feld und gerade was die Genetik des Hundes angeht, steckt die Forschung noch immer in den Kinderschuhen. Und so kann eine minimale genetische Veränderung nach dem populären Butterfly-Effekt  vielfältige, kaum zu ermessende, Auswirkungen haben.

 

Da auch heterozygote Träger der Merle-Mutation bereits das Risiko für Augen- und Hörschäden erhöht, setzt man Rassen, die mitunter ohnehin schon mit eigenen Rassetypischen-Erbkrankheiten zu kämpfen haben, wissentlich einem weiteren Risiko aus. Vermeintliche Schönheit auf Kosten der Gesundheit. 

Welche Gefahr birgt eine blinde Zucht?

Ein besonderes hohes Risiko bergen die kryptischen Merle, also Hunde, deren Mutation wenig bis gar nicht zur Ausprägung kommt. Man sieht ihnen den Merle schlichtweg nicht an. Ein kleiner weisser Fleck kann hier bereits der übersehene Hinweis sein. Wird ein kryptischer Merle Hund, also ein heterozygoter Träger unwissentlich mit einem anderen heterozygoten Merle-Träger verpaart, bilden sich daraus Nachkommen die auf beiden Varianten des Gens die Mutation tragen uns so zu homozygoten Trägern für diese Mutation werden.  Auch aus diesem Grund ist dem neuen Trend mit größter Skepsis zu begegnen. Im Übrigen ist es u.A. auch deshalb nicht ratsam Mischlinge mit unbekannter Herkunft blind zu verpaaren.  Ein Vorfahr meines Hundes war angeblich ein Hütehund, womit die Wahrscheinlichkeit einer Merle-Mutation deutlich steigt. Handelt es sich bei Flóki also um einen Harlequin-Merle ohne, dass ich davon weiß? Möglich wäre es!


Mein persönliches Fazit

Die Merle-Mutation ist in seinem Ursprung ein evolutionärer Vorgang, der sich im Laufe der Jahre in einigen Rassen manifestiert hat. Die Vorliebe des Menschen hat die Verbreitung der bunten Scheckung durch gezielte Zucht aber natürlich maßgeblich verstärkt. Liebhaber von reinrassigen Hunden wissen nur zu gut, dass so gut wie jede Rasse mit ihren „Wehwechen“ zu kämpfen hat. Holt man sich einen Rassenhund ins Haus, nimmt man dieses Risiko billigend in Kauf.

Die Prävalenz gewisser Erkrankungen ist bei heterozygoten Merlen nicht größer als zum Beispiel beim Dalmatiner. Sich also generell für einen Verbot einer Zucht mit Merle auszusprechen ist meiner Ansicht nach wenig sinnvoll, da das zwangsläufig die Frage nach diversen anderen Rassehunden mit Erbkrankheiten aufwerfen würde. Eine verantwortungsvolle Zucht mit etablierten Merle-Rassen ist für mich daher ethisch vertretbar.

 

Etabliert meint in diesem Fall allerdings Rassen, in denen sich die Merle-Mutation über Jahrhunderte mehr oder minder natürlich manifestiert hat (siehe Tabelle 1). Mit dem heutigen Wissen des, nicht wegzudiskutierenden, Risikos die Mutation in weitere Rassen einzukreuzen, halte ich für ethisch sehr bedenklich. Studien zeigen bereits, dass die Mutationen in unterschiedlichen Hunderassen unterschiedlich starke Folgen haben kann. Während ein Australien Shepherd also evolutionär bedingt nach hunderten von Jahren in der Lage ist den ein oder anderen Defekt auszugleichen, ist es ein Viszla möglicherweise nicht. Denn eine Zucht, egal welcher Art, ist am Ende immer menschengemacht und eine riesengroße Verantwortung. Umso wichtiger ist die Wahl eines guten Züchters, der sich dieser Verantwortung bewusst ist und die entsprechenden Schritte vorbereitet.

 

Wer genauer wissen möchte auf welche Tests man bei einem Züchter unbedingt bestehen sollte, liest sich am besten dieses Interview durch. Gina von „Spirit of Eternity Australian Shepherds hat mir einige Fragen beantwortet.

 

Jessica Welss


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Quellen

1.         Ito, S., High-performance liquid chromatography (HPLC) analysis of eu-and pheomelanin in melanogenesis control. Journal of Investigative Dermatology, 1993. 100(2): p. S166-S171.

2.         Karlsson, E.K., et al., Efficient mapping of mendelian traits in dogs through genome-wide association. Nature genetics, 2007. 39(11): p. 1321-1328.

3.         Cattanach, B., The'dalmatian dilemma': white coat colour and deafness. 1999.

4.         Clark, L.A., et al., Retrotransposon insertion in SILV is responsible for merle patterning of the domestic dog. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2006. 103(5): p. 1376-1381.

5.         Sponenberg, D.P., Germinal reversion of the merle allele in Australian shepherd dogs. Journal of Heredity, 1984. 75(1): p. 78-78.

6.         Clark, L.A., et al., Canine SINEs and their effects on phenotypes of the domestic dog, in Genomics of disease. 2008, Springer. p. 79-88.

7.         Murphy, S.C., et al., Length variations within the Merle retrotransposon of canine PMEL: correlating genotype with phenotype. Mobile DNA, 2018. 9(1): p. 1-11.

8.         Sorsby, A. and J. Davey, Ocular associations of dappling (or merling) in the coat colour of dogs. Journal of Genetics, 1954. 52(2): p. 425-440.

9.         Strain, G.M., et al., Prevalence of deafness in dogs heterozygous or homozygous for the merle allele. Journal of veterinary internal medicine, 2009. 23(2): p. 282-286.

10.       Platt, S., et al., Prevalence of unilateral and bilateral deafness in border collies and association with phenotype. Journal of veterinary internal medicine, 2006. 20(6): p. 1355-1362.

11.       Strain, G.M., Deafness prevalence and pigmentation and gender associations in dog breeds at risk. The Veterinary Journal, 2004. 167(1): p. 23-32.

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