„Spieglein, Spieglein an der Wand …“.
Ob der Anblick uns nun gefällt oder nicht. Wir erkennen doch, dass wir uns selbst betrachten. Die Gattung Homo sapiens besitzt ein Ich-Bewusstsein und wir meinen sogar zu wissen wo es sitzt, das Ich. In der Großhirnrinde.
Und doch wird auch der Mensch nicht einfach so damit geboren. Wir lernen erst im Laufe unserer Frühentwicklung, dass wir sind und wer wir sind.
Und unsere Tiere? Sind sie zu so einer Art Bewusstsein Fähig?
HIER ERFÄHRST DU
„Ich denke, also bin ich.“ (René Descartes) – ok, und was ist damit gemeint?
Du liest diese Worte?
Dann besteht zumindest an der Existenz deines Bewusstseins kein Zweifel, meint Ulrich Pontes, Neurowissenschaftler und Verhaltensneurologe [1].
Damit knüpft er an die Philosophie von René Descartes und seinem berühmten Zitat „cogito ergo sum“- „ich denke, also bin ich“ an.
Wir meinen damit also mit Ich-Bewusstsein die Fähigkeit der Eigenwahrnehmung: ein Ich-Zentrum.
Ich-Bewusstsein des Menschen
Mein Körper gehört zu mir - diese Erkenntnis gehört zu den fundamentalsten Fähigkeiten des Menschen.
Ohne es buchstäblich zu sehen, wissen wir wo sich unser Körper innerhalb eines Raumes befindet. Unser Bein ist angewinkelt, der rechte Zeigefinger bohrt in der Nase.
Menschen begreifen ihren eigenen Körper grundlegend als explizites Objekt und sind in der Lage Informationen darüber in Bezug zu anderen Objekten innerhalb der Welt jederzeit abzurufen [2].
Wir sind außerdem in der Lage dazu Ich-Gedanken zu formulieren: „ich habe Hunger. Ich möchte dieses Stück Sahne-Torte.“
Doch mit dieser Fähigkeit werden wir nicht geboren. Babys entwickeln erst im Alter von etwa 5 Monaten die Fähigkeit zur Ich-Wahrnehmung. So implizieren zumindest Studien [3].
Ist das Ich-Bewusstsein dem Menschen vorbehalten?
Einige Forscher denken, dass das explizite Selbst-Bewusstsein den Menschen von Tieren unterscheidet.
Prof. Dr. Kristina Musholt, Philosophin und Neurowissenschaftlerin aus Leipzig zum Beispiel glaubt, dass das selbst-reflektierenden Selbst-Bewusstseins eine Eigenschaft ist, die dem Menschen vorbehalten sei.
Nur wir stellen uns nach ihrer Aussage Fragen wie:
„Wer will ich eigentlich sein? Ist diese Entscheidung jetzt richtig oder nicht?“ [4].
Ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen, behaupten also die einen. Tiere besitzen definitiv ein Ich-Bewusstsein, sagen die Anderen.
Wie lässt sich aber beweisen wer Recht hat?
Wie man Ich-Bewusstsein messen möchte
Mirror Mark Paradigma
Das wohl bekannteste Experiment, um das Ich-Bewusstsein messbar zu machen, ist der sogenannte „Mirror Mark Test“, der bereits 1970 in den USA entwickelt wurde [5].
Abb. 1. Mirror Mark Test durchgeführt an Schimpansen [5].
So funktioniert der „Mirror Mark-Test“:
Der Proband/die Probandin wird zunächst vor einem Spiegel positioniert, in dem er/sie sich betrachten kann. Im zweiten Schritt erfolgt enine Markierung im Gesicht. Zum Beispiel ein prägnanter Punkt auf der Stirn. Der Proband/die Probandin wird in dieser Phase des Tests von den Wissenschaftlern intensiv beobachtet. Greift sich das Kind/das Tier zum Beispiel an die entsprechende Stelle (siehe Abb.1), kann daraus abgeleitet werden, so Forscher, dass es in der Lage ist zu erkennen, dass sich die Markierung auf dem eigenen Körper befindet. Ein Beleg für das Ich-Bewusstsein [5].
Mirror Mark Test in der Tierwelt
Kinder absolvieren den Spiegeltest erfolgreich ab einem Alter von etwa 18 Monaten [6]. Dieser wurde aber auch an einigen Tierarten durchgeführt. Wenn auch zum Teil umstritten, bestanden unter anderem Schimpansen [7], Gorillas [8], Asiatische Elefanten [9], aber auch Elstern [10], Raben und sogar Tauben [11] den „Mirror Mark Test“. Als Katzen- oder Hundebesitzer weißt du aber bestimmt, dass dieses Experiment bei unseren Vierbeinern nur scheitern kann. Denn was für uns eindeutig als Spiegelbild unserer selbst erkennbar ist, ist für unsere Tiere eher ein Artgenosse, dem mit Droh- oder Begrüßungsgebärden, Warnlauten oder Ignoranz begegnet wird. Diese Art von Test ist für Hund und Katze also ungeeignet.
Der „Mein Körper ist ein Hindernis“-Test
Eine weitere Möglichkeit das Ich-Bewusstsein zu testen, ist der sogenannte „Mein Körper ist ein Hindernis-Test“. Auch dieser wurde sowohl an Kleinkindern als auch an Tieren durchgeführt. Eine Forschergruppe aus Ungarn stellte 2021 damit das Ich-Bewusstsein von 54 Hunden auf den Prüfstand [12].
Abb. 2. Mein Körper ist ein Hindernis - Test [12].
So funktioniert der „Mein Körper ist ein Hindernis-Test“:
Der Hund wird in einen Raum geführt, in dem ein Gegenstand auf dem Boden liegt. Dieser ist mit einer Matte verbunden ist. Der Vierbeiner wird auf eben diese Matte geleitet. Im zweiten Schritt wird der Hund vom Besitzer aufgefordert ihr/ihm den mit der Matte verbundenen Gegenstand zu geben. Das ist zunächst schlichtweg nicht möglich, da das Gewicht des eigenen Körpers auf der Matte sie daran hindert den Gegenstand anzuheben. Ihr eigener Körper stellt also das Hindernis dar. Die Hypothese dahinter ist nun folgende: erkennt der Hund, dass der eigener Körper das Hindernis darstellt, entfernt er sich nach erfolglosen Versuchen von der Matte, um den Gegenstand aufheben zu können. Das Tier hat folglich, so mutmaßen die Forscher, ein körperliches Ich-Bewusstsein.
Besitzen Hunde ein Ich-Bewusstsein
Die Ergebnisse der Studie deuten tatsächlich darauf hin, dass Hunde ein körperliches Ich-Bewusstsein besitzen. Signifikant mehr Hunde verließen nach den erfolglosen ersten Versuchen schließlich immer schneller die Matte, um den Gegenstand zu überreichen. Weitere Versuchen zeigten, dass sie außerdem in der Lage sind zwischen externem Stimulus (ein anderer zieht an der Matte) und eigenem Handeln (ich löse einen Zug aus) zu unterscheiden [12].
Zwischen Spiegel und Matte
Obwohl der Hund als Spezies nun den „mein Körper ist ein Hindernis-Test“ besteht, ihm also ein körperliches Bewusstsein zugesprochen werden könnte, scheitert er doch daran sich selbst in einem Spiegel zu erkennen. Hat der Hund nun also ein Ich-Bewusstsein oder nicht? Ist das visuelle Bewusstsein bei Hunden womöglich vom körperlichen entkoppelt? Viele Forscher glauben inzwischen, dass die meisten Spezies zumindest eine Art von Selbst-Wahrnehmung besitzen [13]. Diese muss aber nicht zwangsläufig unserer eigenen Vorstellung eines Ich-Bewusstseins entsprechen.
Für Menschen ist der Sehsinn fundamental. Bis zu 80% der Informationen aus der Umgang deckt der Mensch über die visuelle Wahrnehmung ab [14]. Der Geruchssinn dagegen ist für uns doch eher die Stiefschwester unter den Sinnen. Bei unseren Hunden sieht das jedoch völlig anders aus. Hunde nehmen ihre Umwelt primär nicht visuell sondern über den Geruchsinn wahr. Und so überrascht es auch nicht, dass die Spezies Hund mit etwa 300 Millionen Riechzellen ausgestattet ist, während der Mensch mit gerade einmal 5 Millionen auskommt. Im Hundehirn belegt das Riechzentrum satte 10%, während der Mensch gerade einmal 1% Gehirnmasse bemüht. Würde man dem Hund den Geruchssinn nehmen, wäre das als würde man einem Teenie das Smartphone entreißen. Er wäre schlichtweg kaum lebensfähig.
Hunde wissen womöglich wie sie riechen
Der „Mirror-Mark-Test“ ist auf visuelle Reize ausgelegt. Die Welt des Hundes ist jedoch eine Welt der Gerüche. Kleiner angelegte Studien deuten darauf hin, dass die Vierbeiner womöglich zwar kein Bewusstsein dafür besitzen wie sie aussehen, jedoch sehr wohl wissen wie sie riechen [15]. In einer Studie wurden Hunde mit Gerüchen konfrontiert. Neben diversen fremden Urinproben, war auch ihr eigener Geruch darunter (siehe Abb.3). Die Forscher konnten beobachten, dass die Tiere mit dem Erschnüffeln der fremden Düfte signifikant mehr Zeit verbrachten als mit ihrem eigenen Geruch. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass die Studie zwar an vorangegangene Ergebnisse anknüpft, jedoch in beiden Arbeiten sehr wenig Individuen (1 Hund/4 Hunde) untersucht wurden. Außerdem dokumentierten die Wissenschaftler, dass die Hunde ebenfalls mehr Zeit mit Kontrollbecher (ohne Urinprobe) als mit dem eigenen Duft verbrachten.
Abb.3 Geruchs-Test; modifiziert nach [15].
Mein Fazit
Es ist schwer etwas empirisch messbar machen zu wollen, das ich schon für mich selbst so schwer in Worte fassen kann. Ich glaube dennoch an die Möglichkeit eines hündischen Ich-Bewusstseins. Auch wenn mich persönlich beide Studien nicht vollumfänglich überzeugt haben, erscheint mir die Theorie von dem Bewusstsein basierend auf der Welt der Gerüche durchaus schlüssig. Und wenn ich zur üblichen Mittagszeit zu Flóki so rüber schiele, kann ich durchaus glauben, dass er Gedanken hat wie: „Ich will Spazieren!“.
Jessica Welss
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Quellen
2. Brownell, C.A., S. Zerwas, and G.B. Ramani, “So big”: The development of body self‐awareness in toddlers. Child development, 2007. 78(5): p. 1426-1440.
3. Bahrick, L.E. and J.S. Watson, Detection of intermodal proprioceptive–visual contingency as a potential basis of self-perception in infancy. Developmental psychology, 1985. 21(6): p. 963.
4. https://www.geo.de/wissen/gesundheit/22812-rtkl-bewusstsein-wie-wir-lernen-wer-wir-sind.
5. Gallup Jr, G.G., Chimpanzees: self-recognition. Science, 1970. 167(3914): p. 86-87.
6. Nielsen, M., T. Suddendorf, and V. Slaughter, Mirror self‐recognition beyond the face. Child Development, 2006. 77(1): p. 176-185.
7. Walraven, V., L. Van Elsacker, and R. Verheyen, Reactions of a group of pygmy chimpanzees (Pan paniscus) to their mirror-images: Evidence of self-recognition. Primates, 1995. 36(1): p. 145-150.
8. Posada, S. and M. Colell, Another gorilla (Gorilla gorilla gorilla) recognizes himself in a mirror. American Journal of Primatology: Official Journal of the American Society of Primatologists, 2007. 69(5): p. 576-583.
9. Plotnik, J.M., F.B. De Waal, and D. Reiss, Self-recognition in an Asian elephant. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2006. 103(45): p. 17053-17057.
10. Prior, H., B. Pollok, and O. Güntürkün, Sich selbst vis-à-vis: Was Elstern wahrnehmen. Rubin, 2000. 2(00): p. 26-30.
11. Uchino, E. and S. Watanabe, Self‐recognition in pigeons revisited. Journal of the Experimental Analysis of Behavior, 2014. 102(3): p. 327-334.
12. Lenkei, R., et al., Dogs (Canis familiaris) recognize their own body as a physical obstacle. Scientific reports, 2021. 11(1): p. 1-8.
13. Shettleworth, S.J., Cognition, evolution, and behavior. 2009: Oxford university press.
14. https://idw-online.de/de/news710987.
15. Cazzolla Gatti, R., Self-consciousness: beyond the looking-glass and what dogs found there. Ethology Ecology & Evolution, 2016. 28(2): p. 232-240.
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